Tätowierung
Eine Tätowierung (wissenschaftlich auch Tatauierung, umgangssprachlich (engl.) Tattoo ist ein Motiv, das mit Tinte oder anderen Farbmitteln in die Haut eingebracht wird. Dazu wird die Farbe in der Regel von einem Tätowierer mit Hilfe einer Tätowiermaschine durch eine oder mehrere Nadeln (je nach gewünschtem Effekt) in die zweite Hautschicht gestochen und dabei ein Bild oder Text gezeichnet. Heute stellt die Tätowierung beim Menschen eine Form der Körpermodifikation dar, bei Tieren eine Kennzeichnung (Tierkennzeichnung) zur Identifikation.
Ursprung und Entwicklungen
Wegen der vielfältigen und über den ganzen Erdball verstreuten Hinweise ist davon auszugehen, dass sich die Sitte des Tätowierens bei den verschiedenen Völkern der Erde selbständig und unabhängig voneinander entwickelt hat. Im Norden Chiles wurden 7000 Jahre alte Mumien gefunden, die Tätowierungen an Händen und Füßen aufwiesen. Die Gletscher-Mumie Ötzi trug vor über 5000 Jahren mehrere Zeichen, die mit Nadeln oder durch kleine Einschnitte unter die Haut gebracht worden waren.Besonders aufwändige und großflächige Tätowierungen sind von den eisenzeitlichen Skythen, einem Reitervolk der russischen Steppe und des Kaukasus, und aus der Pasyryk-Kultur im Altai bekannt. Dies scheint die häufig vertretene These zu widerlegen, dass die Sitte des Tätowierens ursprünglich aus Südwestasien stamme, sic h von dort über Ägypten nach Polynesien und Australien ausgebreitet habe und schließlich nach Nord- und Südamerika weitergetragen wurde. In seiner rituellen Bedeutung ist es in verschiedenen Kulturen in Mikronesien, Polynesien und bei indigenen Bevölkerungen verwurzelt und zum Beispiel auch bei den Ainu und den Yakuza (Japan) verbreitet (siehe z. B. Anci-Piri, Tatauierung in Palau und Philippinische Stammestätowierungen).
Die Bibel überliefert zu dem Thema folgendes: „Und einen Einschnitt wegen eines Toten sollt ihr an eurem Fleisch nicht machen; und geätzte Schrift sollt ihr an euch nicht machen. Ich bin der Herr.“ (3. Mose 19,28). Tätowierungen waren jedoch bei einigen frühchristlichen Sekten üblich. Im europäischen Mittelalter verbreiteten sich christlich-religiöse Tätowierungen. So ist von dem Gelehrten und Mystiker Heinrich Seuse, der im 14. Jahrhundert lebte, überliefert, dass er sich den Namen Jesus auf die Brust tätowiert habe. Ein deutsches Mädchen erlangte 1503 Bekanntheit, weil sie am ganzen Körper mit religiösen Symbolen tätowiert war.
Nach Strabo (Geographica) tätowierten sich die Karrner, ein keltischer Stamm der österreichischen Alpen. Laut Herodian (III, 14) tätowierten sich auch die Thraker. Nach Caesar bemalten sich die Pikten auf dem Gebiet des heutigen Schottland (daher der Name), eine Tätowierung erwähnt er nicht.
Funktion und Bedeutung
Tätowierungen können sehr unterschiedliche Funktionen und Bedeutungen haben. Die Literatur nennt u. a. Funktionen als Mitgliedszeichen und rituelles oder sakrales Symbol. In der heutigen Zeit dienen Tätowierungen auch als Ausdrucksmöglichkeit für Exklusivität, Selbstdarstellung, Geltungssucht und Abgrenzung (siehe auch Bourdieu). Weiterhin auch als Mittel zur Verstärkung sexueller Reize, Schmuck, Protest (Punk) und nicht zuletzt die der politischen Stellungnahme. Mit sogenannten Knast-Tätowierungen können Rangfolgen und „Kastenzugehörigkeiten“ etwa durch das Kreuz der Diebe dargestellt werden, sowie Funktionen, die der Häftling während der Gefangenschaft innehatte, wie beispielsweise „Schläger“, „Rowdy“, „Aufrührer“ oder „Boss“. Darüber hinaus gibt es Kennzeichnungen für Mörder oder „Lebenslängliche“, und auch die Meinung zur Justiz bis hin zu offenen Drohungen oder gar erfolgreich ausgeführte Rache können als Tätowierung kundgetan werden. Auch sexuelle Einstellungen werden durch Tätowierungen ausgedrückt. Angaben, in welchen Gegenden man bereits inhaftiert war, die Sehnsucht nach Freiheit oder der Vorsatz auszubrechen sind ebenso Themen wie die Anzahl der abzusitzenden Jahre, die in der Anzahl der Holzscheite unter einem Feuer oder der Stacheln am Stacheldraht ausgedrückt werden können.
Adolf Loos bezeichnete in seiner Schrift Ornament und Verbrechen die Tätowierung als Ornament.
Tätowierung zur Kennzeichnung
In der Zeit des Nationalsozialismus wurden den Insassen eines Konzentrationslagers Häftlingsnummern eintätowiert. Mitglieder der SS besaßen eine Blutgruppentätowierung am linken, inneren Oberarm.
Die Tätowierung eines Identifikationscodes ist bei vielen Haus- und Zuchttieren insbesondere bei Reisen ins Ausland üblich, um Tier und Halter einander zuordnen zu können. Bei Nutztieren wurde lange Zeit das Brandzeichen dafür eingesetzt. Mit der zunehmenden Verwendung von Mikrochips, die unter die Haut implantiert werden, existiert eine praktikable Alternative zur Tätowierung.
Religion und Tätowierung
Innerhalb des Judentums stoßen Tätowierungen teilweise nach Lev 19,28 EU auf Ablehnung. Tätowierungen, zu denen Juden gezwungen wurden (beispielsweise Nummern-Tätowierungen in Konzentrationslagern), werden toleriert (da sie unter Zwang passierten). Allerdings dürfen solche zwanghaften Tätowierungen nicht durch weitere Tätowierungen verändert oder unsichtbar gemacht werden.
Bis 1890 wurden in Bosnien katholische Mädchen tätowiert, um einen Übertritt zum Islam zu verhindern. Armenische Christen hielten die Tradition der Pilgertätowierung bis zum Ersten Weltkrieg bei; so lange wurde diese Form der Markung in Jerusalem angeboten. Koptische Christen in Ägypten tragen ein Kreuz an der Innenseite des rechten Handgelenkes, um sich vom Islam zu distanzieren. Unter den Tigray in Äthiopien ist unter anderem das Tragen eines tätowierten Kreuzes aus dem äthiopisch-orthodoxen Christenturm auf der Stirn verbreitet. In früheren Zeiten war Christen das Tragen von Tattoos verboten.
Eine besondere Form der religiösen Tätowierung stellt die in Südostasien verbreitete Yantra-Tätowierung dar.
Permanent Make-up
Eine Sonderform ist das sogenannte Permanent Make-up, bei dem die Konturen von z. B. Augen, Lippen usw. hervorgehoben bzw. nachgezeichnet oder schattiert werden. So lassen sich auch Operationsnarben kaschieren oder ein Brustwarzenhof rekonstruieren.
Gesellschaftliche Bedeutung in Japan
Eine sehr lange Tradition haben Tätowierungen in Japan, wo sie Irezumi, wörtlich: „Tinte einbringen“) bzw. Horimono, wörtlich eigentlich: „Bildhauerei, Schnitzerei“) genannt werden. Die früheste Erwähnung findet sich im chinesischen Geschichtswerk Weizhi Worenchuan, in dem das Japan des 3. Jahrhunderts beschrieben wird. Daneben lassen sich Tätowierungen (Anci-Piri) auch bei den Ainu, der nordjapanischen Urbevölkerung, nachweisen.
Zu Beginn der Edo-Zeit (1603 bis 1868) waren Tätowierungen unter anderem bei Prostituierten und Arbeitern sehr beliebt. Ab 1720 wurde die Tätowierung als eine Art Brandmarkung für Kriminelle eingesetzt, weshalb sich „anständige“ Japaner nicht mehr tätowieren ließen. Wer als Krimineller gezeichnet war, konnte sich nicht mehr in die Gesellschaft eingliedern, was zur Bildung einer eigenen Schicht führte: den Yakuza. Unter der Meijiregierung wurde 1870 diese Praxis abgeschafft, Tätowierungen wurden komplett verboten, was erst 1948 aufgehoben wurde.
Obwohl stilistisch sehr einheitlich, gibt es eine große Vielfalt an Motiven, die oft der Mythologie entnommen sind, wie Drachen oder Dämonen, die häufig aus Sagen stammen und eine ganze Geschichte erzählen. Oder es gibt Symbole wie Kirschblüten (Schönheit und Freude, aber auch Vergänglichkeit) und Kois (Erfolg, Stärke und Glück). Ein Stil mit blutigen und grausigen abgehackten Köpfen entwickelte sich, als gegen Ende des 19. Jahrhunderts Gruselgeschichten in Japan äußerst populär wurden. Eine japanische Sitte ist es, sich zeitlebens von einem einzigen Künstler tätowieren zu lassen; oftmals entstehen daraus über Jahre hinweg großflächige Gemälde auf dem ganzen Körper, die schließlich vom Künstler signiert werden.
Tätowierungen sind in Japan noch immer stigmatisiert und werden oft als Verstrickung ins kriminelle Milieu interpretiert. Sie sind ein wichtiger Bestandteil der Yakuza-Kultur (vor allem die den kompletten Torso einnehmenden, sogenannten Bodysuits). In manchen öffentlichen Bädern wird Menschen mit großflächigen Tätowierungen der Eintritt verweigert. Aber ebenso wie im Westen werden Tätowierungen gerade bei jungen Japanern immer beliebter und dadurch einer breiteren Gesellschaftsschicht vertraut. Heutzutage gibt es in Japan viele weltweit bekannte Tätowierer (zum Beispiel Horiyoshi III), die ihr Können an ihre Schüler weitergeben. Andererseits geht die Verbreitung von Tätowierungen unter Gangmitgliedern zurück, da diese keine Aufmerksamkeit wecken wollen. Somit löst sich in Japan die Verbindung zwischen Kriminalität und Tätowierung.
In letzter Zeit erfreuen sich auch in westlichen Kulturen Tätowierungen im japanischen Stil wachsender Beliebtheit
Gesellschaftliche Bedeutung in der westlichen Welt
Tätowierungen hatten ursprünglich im Westen das Stigma des Matrosen oder Sträflings, erfreuen sich aber spätestens seit den 1990er Jahren größerer Beliebtheit. Was vorwiegend als Ausdruck einer Jugendkultur begann, die auch Piercing und Branding umfasst, ist heute in breiten Gesellschaftsschichten vorzufinden. Zahlreiche Prominente, die sich öffentlich mit Tätowierungen zeigten, trugen zu einer zunehmenden Akzeptanz bei. Dennoch werden Tätowierungen nach wie vor auch als Code und Sprache innerhalb krimineller Banden verwendet. So sind beispielsweise unter Anhängern der russischen Gruppe Diebe im Gesetz den tätowierten Motiven begangene Straftaten, abgesessene Gefängnisjahre oder die Hierarchie innerhalb der Gruppe zu entnehmen.
In Deutschland sind, unter anderem bei ehemaligen Häftlingen, Spinnen am Hals oder Hinterkopf, Tränen an den Augenrändern („Knastätrnen“) oder drei Punkte zwischen Daumen und Zeigefinger gelegentlich anzutreffen.
Kinder nutzen Abziehtattoos, die sich leicht wieder entfernen lassen, aber unter dem Begriff Tattoo oder Tätowierung firmieren. Analog dazu finden sich auch sogenannte Hennatätowierungen, die nicht in die Haut gestochen, sondern aufgemalt werden. Hier wird nur die Hornschicht der Oberhaut eingefärbt. Da diese verhornten Zellen kontinuierlich abschuppen, verschwindet die vorgebliche Tätowierung nach einigen Wochen.
Diese Entwicklung zeigt die Annäherung des Tätowierens an den Mainstream, ermöglicht sie doch eine Tätowierung als Modeaccessoire. Auch die Bio-Tätowierung verschwindet angeblich nach einigen Jahren von selbst, weil nicht so tief gestochen wird. In Wirklichkeit geschieht das aber nur sehr selten, wenn überhaupt, da es quasi unmöglich ist, so genau zu arbeiten, dass weder zu flach gestochen wird (die Tätowierung verschwindet schon während der Heilung) noch zu tief (die Tätowierung bleibt). Mindestens Teile oder ein Schatten der Tätowierung bleiben zumeist erhalten. Daher wird von seriösen Tätowierern davor gewarnt. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat eine Tätowiererin zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt, weil sie der Kundin zugesichert hatte, die Bio-Tätowierung würde nach drei bis sieben Jahren verschwinden – was nicht geschah.
Berufliche Einschränkungen und die „T-Shirt-Grenze“
Tätowierungen und Piercings sind Privatsache, die grundsätzlich dem Persönlichkeitsrecht unterliegen. Nach Ansicht von Steffen Westermann, Sprecher des Berufsstrategie-Büros Hesse/Schrader dürfe der Chef den Körperschmuck nicht verbieten. Dennoch gebe es in der Arbeitswelt viele ungeschriebene Gesetze. Oft entscheide beim Bewerbungsgespräch der erste Eindruck darüber, ob ein Mitarbeiter „ins Team passt“, selbst in Kreativberufen. Begründet werde eine Ablehnung selten mit dem auffälligen Körperschmuck, sondern meist mit Kompetenzzweifeln. In Branchen mit regelmäßigem Kundenverkehr sind Tätowierungen nur innerhalb der sogenannten „T-Shirt-Grenze“ erlaubt. Das ist der Bereich, der von einem handelsüblichen T-Shirt abgedeckt werden kann.
Motive, Stile und neue Trends
Waren Anfang des 20. Jahrhunderts Tätowierungen fast nur bei Seeleuten, Soldaten, Angehörigen der Unterwelt oder Häftlingen zu sehen, so entwickelte sich in den späten 1980er Jahren wieder ein Trend zu Tattoos. Vor allem gewisse Musikszenen machten Tätowierungen zu einem Bestandteil ihrer Subkultur.
In den 1990er Jahren erfuhren Tätowierungen einen wahren Modetrend. Vor allem sogenannte Tribal-Tattoos erlebten hier ihre Hochblüte. Tribals (manchmal auch Iban genannt) fanden in verschiedensten Formen den Weg unter die Haut. Unter der scherzhaften Bezeichnung Arschgeweih war vor allem bei Trägerinnen häufig ein auf dem Steiß platziertes Tribal-Tattoo zu finden.
Ende der 1990er Jahre gab es in der Tattoo-Szene einen Trend zu sogenannten Old-School-Motiven. Dies sind Motive, die ihren Ursprung häufig in alten Seemannstätowierungen haben. Beispiele für Motive dieses Genres sind Sterne, Schwalben, Anker oder Herzen.
Einen weiteren Trend stellen sogenannte Geek- oder Nerd-Tattoos dar. Die Motive stammen in der Regel aus dem akademischen Bereich oder dem Computerbereich und spiegeln die wachsende Popularität von Geekstyle und Nerdcore wider.
Laut einer Studie der Universität Leipzig aus dem Jahr 2009 nimmt der Anteil der Tätowierten an der deutschen Bevölkerung zu. So stieg der Anteil der tätowierten Männer im Alter zwischen 25 und 34 Jahren von 22,4 % (2003) auf 26 % (2009), der der tätowierten Frauen zwischen 25 und 34 Jahren verdoppelte sich sogar beinahe von 13,7 % (2003) auf 25,5 % (2009). Die beliebtesten Stellen waren dabei die Arme und der Rücken.
Kunst
Die US-amerikanische Künstlerin Shelley Jackson arbeitet derzeit an einem Kunstprojekt namens „The skin project“. Sie hat eine Kurzgeschichte von 2095 Wörtern verfasst, welche nicht gedruckt wird, vielmehr lassen Freiwillige sich jeweils ein Wort der Geschichte tätowieren.
Timm Ulrichs hat 1975 mit traditionellen Tätowiermotiven auf Leinwand gearbeitet. Auf sein rechtes Augenlid ließ er sich von Horst Heinrich Streckenbach (Frankfurt/Main) 1981 die Worte „The End“ tätowieren – der Abspann für den ultimativ letzten Film. Getreu seinem Motto „Totalkunst ist das Leben selbst“ ließ sich Ulrichs 1971 öffentlich die eigene Signatur in den Oberarm tätowieren. Nicht die einzige Tätowierung: Seit kurzem steht auf seinem Fuß „Copyright by Timm Ulrichs“. Die Tätowierer Manfred Kohrs (Hannover) und Horst Heinrich Streckenbach (Frankfurt/Main) haben in den siebziger Jahren daran gearbeitet, die deutschen Tätowierer in die künstlerische Szene einzuführen; auch um dem Berufsstand den Habitus des „halbseidenen“ zu nehmen, der in diesen Jahren noch extrem vorhanden war. In den Jahren 1977 bis 1981 erstellte Manfred Kohrs – als Mitglied im Kunstverein – einige Einzelprojekte mit der Thematik Tätowierungen.
Im Jahr 1996 zeigte Ed Hardy in der New Yorker Kunstgalerie die Ausstellung »Pierced Hearts and True Love«. Hardy gab in dieser Ausstellung, die ein „entscheidender Schritt zur Imageverbesserung des Tätowierens“ war, einen geschichtlichen Überblick der vergangenen 100 Jahre. Die Berliner Künstlerin Ingeborg Leuthold beschäftigt sich seit 1985 mit Motiv tätowierter Menschen. Angeregt durch Loveparade und CSD vertiefte sie ihre Arbeiten zum Thema, die 2010 in der Ausstellung Tattoo total oder die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies einen Höhepunkt fand.
Anwendung in der Medizin
In der Augenheilkunde gibt es ein selten angewandtes Verfahren der rekonstruktiven Chirurgie, das als Keratographie oder auch Hornhauttätowierung bekannt ist. Dabei werden naturnahe Farbpigmente unter die Hornhaut des menschlichen Auges eingebracht. Es dient der plastischen Verbesserung bei schweren kosmetischen Entstellungen durch Erkrankungs- oder Verletzungsfolgen der vorderen Augenabschnitte (Iris, Pupille usw.). Die Keratographie beinhaltet zwar ein gewisses Risiko und kann mit Komplikationen einhergehen, gleichwohl kann sie sich für Patienten eignen, bei denen eine Wiederherstellung der Sehkraft nicht mehr zu erwarten ist. Seit fast 2000 Jahren sind solche Verfahren bekannt, gerieten jedoch über lange Zeit in Vergessenheit und erfahren seit einigen Jahren wieder eine Renaissance, wenn auch nur für eine begrenzte Anzahl von Betroffenen.
Etymologie
Sowohl das deutsche Wort „tätowieren“ als auch das englische „Tattoo“ haben ihren Ursprung im Wort tatau das austronesischen Sprachen entstammt. Es kann im Samoanischen übersetzt werden mit „richtig“ und meint so viel wie „richtig [die Haut oder Muster] einschlagen“. Im Polynesischen bedeutet tatau so viel wie „gerade, kunstgerecht“. Nach der Ankunft James Cooks 1774 in England verbreitete sich der Begriff in Europa. In der englischen Militärsprache gab es ein gleichlautendes Wort schon seit der Mitte des 17. Jahrhunderts, es bezeichnet bis heute den Zapfenstreich. In England wurde der Begriff tattow neben dem zunächst gebräuchlichen tattaw verwendet, der sich dann zu tattoo umbildete und heute ausschließlich benutzt wird. Berücksichtigt man nun weiterhin, dass es in England zunächst überwiegend Soldaten waren, die sich tätowieren ließen, erscheint diese Umformung des Wortes schlüssig. Im deutschen Sprachraum existierten lange Zeit die Begriffe Tatauieren und Tätowieren nebeneinander, bis sich schließlich zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bezeichnung Tätowieren endgültig durchsetzte. In der Ethnologie wird jedoch weiterhin meist von Tatauieren und Tatauierungen gesprochen
Technik
Der Vorgang der Tätowierung besteht grundsätzlich in einer Punktierung der Haut, wobei gleichzeitig mit dem Durchstechen ein Farbmittel in die Haut eingebracht wird. Hierbei ist darauf zu achten, dass der Stich weder zu oberflächlich noch zu tief angebracht wird. Im ersten Fall würde das eingelagerte Farbmittel lediglich in die Zelllagen der Epidermis eingebracht werden. Dies hätte zur Folge, dass bei der fortwährenden Erneuerung dieser Hautschicht ein Abwachsen und eine Abstoßung der Farbmittelteilchen nach außen gleichzeitig mit den Epidermiszelllagen erfolgen würde. Im zweiten Fall, wenn also der Stich zu tief in die Haut vorgenommen wird, kommt es durch die auftretenden Blutungen zu einem Auswaschen der Farbmittel. Dauerhaft haltbar sind diejenigen Farbmittel, die in der mittleren Hautschicht (Dermis), und zwar im Zelltyp der Fibroblasten eingelagert sind.
Die Geschwindigkeit ist abhängig von der Tätowiermaschine, der Technik und dem gewünschtem Effekt, z. B. Linien oder Schattierungen, liegt aber zwischen ca. 800 bis 7.500 Bewegungen pro Minute. Die Tinte hält sich dank einer Kapillarwirkung zwischen den Nadeln und wird durch die Schnelligkeit der Bewegung ähnlich leicht in die Haut gebracht wie beim Zeichnen mit einem Stift auf Papier. Die Haut wird mit der einen Hand unter Spannung gehalten, die andere Hand bringt das Bild ein. Hierbei wird zunächst – zumeist mit schwarzer Farbe – die Kontur erstellt sowie – insoweit erforderlich – die Schattenwirkung eingebracht; anschließend werden die entsprechenden Flächen farblich aufgefüllt. Die Wahl der verwendeten Nadelmengen- und Stärken richtet sich nach dem Motiv und der angewandten Technik.
Es existieren weitere Möglichkeiten, dauerhafte Hautzeichnungen herzustellen, beispielsweise das Einschneiden der Haut und ein Einreiben der Wunde mit Tinte, Asche oder sonstigen farbgebenden Stoffen (sogenanntes Ink-Rubbing), oder das Tätowieren mit Nadel und Faden, bei dem eine mit Faden umwickelte Nadel in Tinte, Tusche oder sonstige farbgebende Stoffe getaucht und dann in die Haut gestochen wird; dieser Vorgang wird umgangssprachlich auch als „Peiken“ bezeichnet. Österreichische Soldaten und gemeine Soldaten tätowierten sich im 19. Jahrhundert mit Einschnitten von „Namens-Chiffren“ oder Kreuzeszeichen, als Färbemittel diente Schießpulver.
Bei den Völkern Polynesiens war ein Tätowierkamm gebräuchlich, der aus verschiedenen Pflanzenteilen oder Knochen hergestellt wurde und an einem langen Stab befestigt war. Die Spitzen des Kammes wurden durch rhythmisches Schlagen auf den Griff in die Haut getrieben, wo sie eine Tinte aus Wasser und Asche oder verbrannten Nüssen einbrachten. Diese Kämme gab es in unterschiedlichen Breiten, sie hinterließen aber immer Linien, niemals Punkte. Die Irezumi genannten traditionellen japanischen Tätowierungen werden auch heute noch, obwohl sich westliche Tätowiermaschinen auch in Japan längst großer Beliebtheit erfreuen, häufig manuell gefertigt, diese Technik wird Tebori genannt.
Die Inuit hingegen zogen mit Farbe getränkte Fäden oder Sehnen unter der Haut hindurch, um eine dauerhafte Zeichnung zu erhalten.
Schmutztätowierung
Neben der Schmucktätowierung wird auch das (unerwünschte) Eindringen von gefärbten Partikeln in das Bindegewebe der Haut in der Medizin als Tätowierung bezeichnet – als „Schmutztätowierung“.
Ursachen sind meist Unfälle mit Feuerwerkskörpern, Pulverschmauchverletzungen und Straßenunfälle. Aber auch beim Sturz eines Fußballspielers „auf Asche“ mit Schürfwunde können färbende Partikel unter die Haut gelangen. Eisenhaltige Metallsplitter in der Haut verursachen eine Braunfärbung (Siderose). Bei Bergleuten kommen Schmutztätowierungen mit Kohlestaub vor.
Während in den ersten 72 Stunden Schmutzpartikel noch durch Ausbürsten meist ohne kosmetische Folgen entfernt werden können, muss später meist eine Stanzexzision durchgeführt werden.
Rechtsgrundlagen
Das Tätowieren von minderjährigen Personen ist bedingt möglich, fordert jedoch eine Einverständniserklärung der Eltern. Da vielen Tätowierern die schriftliche Einverständniserklärung nicht ausreicht, verlangen diese, dass mindestens ein Elternteil während der gesamten Sitzung anwesend ist.
Laut dem sogenannten Petzparagraphen 294a SGB V sind Ärzte und Krankenhäuser verpflichtet, den Krankenkassen Komplikationen bei Tätowierungen zu melden. Außerdem besteht bei Arbeitsunfähigkeit kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, denn der Arbeitgeber hat nur das normale Krankheitsrisiko des Arbeitnehmers zu tragen.
Gesundheitsgefahren
Beim Tätowieren müssen strenge Hygienevorschriften eingehalten werden. Diese werden nicht immer kontrolliert, deshalb ist eine gewisse Vorsicht ratsam. Es kann zu HIV-, Hepatitis- und diversen anderen Infektionen kommen. In Holland, der Schweiz und Österreich unterliegen Tätowierstudios strengen Auflagen und Kontrollen, was der allgemeinen gesundheitlichen Sicherheit in diesem Bereich sehr zuträglich war. Inzwischen werden dort die Eingriffe, Sterilisationsvorgänge, Reinigungen und Desinfektionsmaßnahmen schriftlich dokumentiert. In Österreich ist seit dem Jahr 2003 die jährliche Erbringung eines Unbedenklichkeitsnachweises durch ein akkreditiertes Institut gesetzlich vorgeschrieben (siehe Bundesgesetzblatt 141/ 2003).
Gesundheitsschädliche Farbstoffe
Untersuchungen haben gezeigt, dass ein Teil der Farbstoffe aus der Dermis in andere Bereiche des Körpers fortgetragen wird. Da es, im Gegensatz zu Kosmetika, für die verwendeten Farben kaum gesetzliche Vorschriften gab, enthielten diese oft zum Beispiel Schwermetallverbindungen als Pigment. Außerdem gelten insbesondere Azo-Farben als problematisch, da sie unter Einwirkung von UV-Licht in gesundheitsschädliche Stoffe wie Azelenhydrochlorid oder verschiedene Kohlenwasserstoffe (beides Zellgifte) zerfallen.
Bei der Entfernung von Tätowierungen mittels Laser-Behandlung können aus den verwendeten Farbpigmenten, insbesondere aus den häufig verwendeten roten Farbpigmenten Pigment Red 22 und Pigment Red 9 krebserregende Substanzen, wie beispielsweise 2-Methyl-5-nitroanilin, entstehen.
Der Physiker Wolfgang Bäumler (Universität Regensburg) hat in den 1990er Jahren Pigmente von Tätowierfarben untersucht; "Die Farben bleiben nicht an der Stelle, wo sie eingestochen werden" so Bäumler gegenüber dem Stern. Teilweise sind Lymphknoten, die sich in der Nähe von Tätowierungen befinden, ebenfalls eingefärbt. Die Ergebnisse der Untersuchung flossen 2008 in die Tätowiermittelverordnung ein.
Verbrennung bei Kernspin-Tomographie
Immer mehr Ärzte verweigern die Untersuchung mit dem Kernspintomographen, wenn ein Patient Tätowierungen, Piercing oder Permanent-Make-up auf der Haut trägt, weil es dabei zu Verbrennungen durch das Eisen in den Farben kommen kann. Das Auftreten einer Verbrennung ist jedoch äußerst unwahrscheinlich, und der zu erwartende Schweregrad einer derartigen Verbrennung ist gering. Wahrscheinlicher als eine Schädigung des Patienten ist jedoch das Auftreten von Artefakten.
Entfernung
Bei der Entfernung von Tätowierungen stehen vor allem zwei Laser wegen ihrer relativ guten Ergebnisse, ihrer guten Verträglichkeit und ihres hohen Entwicklungsstandes im Vordergrund. Dies ist zum einen der gütegeschaltete Nd:YAG-Laser, der frequenzverdoppelte Nd:YAG (KTP) als auch der gütegeschaltete Rubinlaser. Entscheidend für den Behandlungserfolg ist die Wellenlänge (Farbe) des Lasers, die auf die Farbe (Wellenlängenspektrum) der Farbpigmente abgestimmt sein muss. Schwarze und dunkelblaue Tätowierungen lassen sich besonders gut mit dem Rubinlaser und Nd:YAG-Laser entfernen, wohingegen der frequenzverdoppelte Nd:YAG-Laser (KTP) für rote bis gelbliche Tätowierfarben verwendet wird. Der Rubinlaser wirkt effektiver bei grünen Farben.
Bei der Entstehung einer Tätowierung werden im Heilungsprozess (bis etwa zwei Wochen nach dem Stechen) die Farbpigmente durch körpereigene Zellen – die Makrophagen – eingekapselt. Der Körper kann daher die Farbpigmente nicht mehr abbauen, die Tätowierung bleibt erhalten.
Mit dem Einsatz verschiedener Laser lassen sich diese Makrophagen „aufbrechen“. Dies geschieht durch eine Erhitzung der eingeschlossenen Farbpigmente, die durch die Lichtabsorption so stark erhitzt werden, dass sie zerbersten. Allerdings folgt dem eine erneute Einkapselung, was Wiederholungen der Laserbehandlung (je nach Farbe zwischen zwei und zehn Behandlungen) erforderlich macht.
Während der Behandlung lässt sich eine Verfärbung des Tattoos erkennen, das liegt an den unterschiedlichen Abbaugeschwindigkeiten der Pigmente einer Farbe. Früher wurden allerdings häufig Farbstoffe eingesetzt, die nur schwach bis gar nicht abgebaut werden können. In diesem Fall bleibt auch eine Laserbehandlung nahezu wirkungslos. Hier gilt es, vorher die Behandlung an einer kleinen Stelle auszuprobieren.
Als Alternative zur Laserentfernung werden Verfahren mit flüssigen Tattoo-Entfernern angeboten. Dabei handelt sich um Lösungen, die in der Regel 40 % L-(+)-Milchsäure enthalten. Ähnlich wie bei Tätowiermitteln wird mit einer Nadel unter die Oberhaut gestochen und das flüssige Entfernungsmittel unter die Haut gespritzt. Laut Aussage der Anbieter soll der Körper die Farbpigmente auf natürliche Weise abstoßen. Zwar kommt L-(+)-Milchsäure in natürlicher Form im menschlichen Körper vor; Untersuchungen haben gleichwohl gezeigt, dass der Einsatz solcher Tattoo-Entfernungsmittel aufgrund der Reizwirkung von Milchsäure hoher Konzentration (40 %) mit gesundheitlichen Risiken verbunden ist. Es wurden Fälle mit schweren Entzündungsreaktionen der Haut mit Narbenbildung gemeldet. Bereits bei einer Konzentration von 20 % Milchsäure in Formulierungen treten nach dem Stand der Wissenschaft Reizwirkungen an Haut und Schleimhaut auf. Am Auge ist dies bereits bei einer geringeren Konzentration Milchsäure möglich. Wegen der relativen Neuartigkeit der Behandlungsformen liegen weder klinische Bewertungen noch Ergebnisse klinischer Studien zu Langzeitwirkungen vor. Ungeklärt ist vor allem, welche chemischen Verbindungen bei der Behandlung mit Lasern oder Milchsäure entstehen und welche gesundheitlichen Spätrisiken von ihnen ausgehen. Es wird vermutet, dass sich ein Teil der gespaltenen Farbpigmente in Leber, Milz und Lymphknoten anreichert.
Ferner gibt es zum Entfernen einer Tätowierung noch weitere Methoden, zum Beispiel die Diathermie. Diese zerstört mit Hilfe von Mikrowellen umliegende Hautzellen, die beim Heilungsprozess mit den Farbpigmenten abgeschieden werden.
Die Entfernung von Tätowierungen mittels sogenannter Tattoo-Cremes ist dagegen aber weiterhin höchst fragwürdig, da ein entsprechender Wirkmechanismus nicht nachgewiesen werden konnte.
Eine weitere Möglichkeit liegt in der Entwicklung neuartiger mit Kunststoff ummantelter Farben, diese sollen sich beim Tätowieren und von der Haltbarkeit her genau wie die traditionellen Farben verhalten. Der Unterschied liegt einzig in der Entfernbarkeit. Während sich die traditionellen Farben in fünf bis zehn Lasersitzungen (gut und weniger gut) entfernen lassen, verspricht der Hersteller eine Entfernung in einer einzigen Lasersitzung. Ursache für die gute Entfernbarkeit liegt in der Verwendung von sehr kleinen Farbpigmenten, die normalerweise nicht in der Haut halten würden. Durch die Verkapselung von diesen kleinen Pigmenten in PMMA (Polymethylmethacrylat, medizinischer Kunststoff) wird gewährleistet, dass diese dennoch in der Haut verbleiben. Werden diese PMMA-Teilchen mit einem Laser behandelt, brechen sie auf, und das Tattoo verschwindet.
Durch die Verkapselung mit PMMA kann kein Alkohol für die Herstellung der Farbe benutzt werden, da dieser den Kunststoff auflösen würde. Damit scheiden die klassischen Zubereitungen für Tätowierfarben aus, und es muss eine Technologie auf Wasserbasis gefunden werden. Damit ist die Farbe aber mikrobiologisch nicht stabil und erfordert zum Beispiel den Einsatz von Konservierungsmitteln, die nach der Resolution des Europarates nicht mehr eingesetzt werden sollen. Ob diese Farben dann in Brillanz, Deckkraft und Verarbeitungsqualität modernen Tätowierfarben entsprechen, wird die Praxis zeigen.
Kostenbeteiligung bei Komplikationen
Gesetzlich Versicherte, die sich einer medizinisch nicht indizierten Maßnahme, wie einer Schönheitsoperation, einer Tätowierung oder einem Piercing unterzogen haben, haben sich auch an den Kosten einer dadurch entstandenen Komplikation, einschließlich des Krankentagegeldes angemessen zu beteiligen. Ärzte und Krankenhäuser unterliegen dabei einer Anzeigepflicht von Folgeerkrankungen medizinisch nicht notwendiger Behandlungen.
Ausbildung
Eine typische Ausbildung wie in den Handwerksberufen gibt es nicht. Will man die Kunst des Tätowierens erlernen, so geht man formlos bei einem Tätowierer in die Lehre. Die Grundtechniken sind in der Regel in zwei bis drei Jahren erlernbar.
In Österreich ist eine vierteilige Prüfung vorgeschrieben, wobei der schriftliche Teil die Bereiche Dermatologie, Histologie, Anatomie, Bakteriologie und Virologie umfasst.
Quelle: wikipedia
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